Die Headline könnte ebenso heißen, dass wir hungrig nach Unterhaltung, Kunst, Kultur, einem Schnitzel im Gastgarten, oder auf einen muffigen Technoclub sind, bei dem bereits der Schweiß von der Decke tropft. Diese Liste könnte man ewig weiterführen und am Ende ist klar, dass wir mit dem Wort vermissen, nur sehr dürftig dieses Gefühl der unendlichen Sehnsucht nach unserem alten Leben ausdrücken können. Mein Wortschatz verfügt auch über kein Vokabular, der diese entstandene Leere auch nur in irgendeiner Art und Weise beschreiben könnte. Dieser Blogartikel ist auch kein Versuch einer Definition dessen, was wir eh alle spüren, es geht vielmehr um eine Aufarbeitung der Situation und wie sich unsere Denkweise nach über einem Jahr mit Covid-19 verändert hat.
Einleitend möchte ich nun diese Thematik mit meiner eigenen Sichtweise beginnen, denn ich wurde dabei ertappt, wie ich meine eigene Ideologie verraten habe. Es muss wohl ein sehr schleichender Prozess gewesen sein, denn wäre ich nicht auf gewisse Dinge aufmerksam gemacht worden, würde ich noch immer in meiner kleinen rosa Bubble sitzen, aber dazu später mehr, denn worum geht es nun eigentlich. Ich war am Samstag bei einer Demonstration für die Clubkultur und habe auch ein paar Fotos gemacht. Nachdem ich diese auch veröffentlich habe, wurde ganz schnell klar, dass die Clubs absolut nicht begeistert sind von so einer Aktion und genau hier liegt auch der Hund begraben, denn solche Demos gab es schon immer. Unter dem Deckmantel einer Kundgebung wurden schon immer Open Airs sorganisiert, die wenig mit dem kommunizierten Thema am Hut haben. Es geht nur darum auf legalem Wege einen Rave zu organisieren, ohne wirklich einen organisatorischen Aufwand zu haben. Das Ganze wird als Demonstration angemeldet und damit währe das Gröbste erledigt! Irgendeine Bühne, Anlage und Wohnzimmerequipment inklusive. Im Gegenzug dazu, muss jeder als Veranstaltung angemeldete Event, eine Vielzahl an bürokratischen Hürden durchlaufen und hier wird vom Bühnenbau bis zum Brandschutz jede einzelne Schraube behördlich abgenommen, um eine sichere Umsetzung zu garantieren. Soll nicht heißen, dass jeder Demo-Rave schleißig umgesetzt ist, aber es ist ein Trend zu erkennen und Stolperfallen aber auch eine potenzielle Verletzungsgefahr kann schon mal das Gesamtbild prägen. In der Regel sind es auch eher die no-names, die zumindest ein bisschen im Rampenlicht durch so eine Aktion baden können, denn 1000 Leute und mehr sind schnell zusammengetrommelt wenns nichts kostet, gerade in einer Millionenstadt wie Wien. Auch meine Getränke darf ich als Besucher selbst mitbringen und unterliege auch keinem Konsumzwang. Im Großen und Ganzen eine Aktion die ebenso viel Wert ist, wie es auch kostet, nämlich nichts!
Vor Corona war es dann noch relativ Wurscht, wenn wieder ein Schlaumeier diese gesetzliche Grauzone für sich genutzt hat, wenn auch nervig. Aber während dieser Pandemie ist es zu einem großen Thema geworden, denn die Gastronomie hat zeitweise geschlossen. Gerade Clubs und Veranstaltungen sind komplett von der Bildfläche verschwunden und hier geht es nicht nur um das Aussterben solcher Anlaufstellen, im Hintergrund stehen auch Existenzen, die seit dem ersten Lockdown um das Überleben kämpfen müssen, obwohl sie sich etwas im Leben aufgebaut haben. Das eine Aktion für die Clubkultur somit komplett Fehl am Platz ist, sollte somit klar sein, gerade weil Abstände nicht eingehalten wurden und die DJs die Eskalation auch noch bewusst befeuert haben mit ihrer Musikauswahl. Nein, sowas darf nicht sein, es ist ein Arschtritt für alle da draußen, die sich zurücknehmen, die Situation aussitzen, nach Lösungen suchen, Kompromisse eingehen, die Situation akzeptieren, das Beste daraus machen oder auch zwangsweise in einem Hilfsjob arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen, oder noch schlimmer, nichts zum Essen haben, weil sie vom Staat komplett im Stich gelassen werden und auch keinen rettenden Job finden…
Natürlich will ich nicht alle Demonstrationen mit einem Dj Line Up über einen Kamm scheren und damit pauschaliert verurteilen, zumal es auch sinnvolle Aktionen gibt. Wie überall findet man auch hier solche und solche, allerdings sollte man auch betonen, das jede Fake Demo der Glaubhaftigkeit aller Aktionen schadet! Gerade die Demo letzten Samstag, war mit Sicherheit nicht als getarnter Open Air Rave angedacht, was man auch gut an der kleinen Musikanlage erkennen konnte. Sowas habe ich bei mir im Wohnzimmer stehen und auf voller Leistung hörst du nach 70m nicht mal mehr die Musik, außer der Wind weht gerade günstig. Dass speziell diese Aktion auch wirklich gut gemeint war für die Clubkultur, würde ich auch sofort unterschreiben, nur steht hier ganz klar dagegen, dass viele Anlaufstellen gar nicht wollen, dass in ihrem Namen so eine Aktion gestartet wird, aus bereits genannten Gründen. Gerade dessen war ich mir auch noch nicht so wirklich bewusst und ich sags auch ganz ehrlich, das Leben meint es gut mit mir. Ich habe einen Job, der mir Spaß macht und damit auch die nötige Sicherheit. Nicht aufzulegen, daran habe ich mich gewöhnt, nicht zu veranstalten ebenso und lediglich meine Infrastruktur an Tonanlagen, Lichttechnik, Equipment, Bühnenbau und Gastronomiehilfsmittel ist auf wenige Fixkosten beschränkt. Ich kann mich somit sehr schwer in eine Situation versetzen, bei der die Existenz bedroht ist.
Abschließend möchte ich nun zum Kern des Artikels kommen, denn ich bin hungrig nach Open Airs und damit spreche ich sicher vielen Personen aus der Seele. Der Winter war hart und ebenso die Maßnahmen. Der Dauerlockdown hat auch in unserer Seele gewütet und genügend verbrannte Erde hinterlassen. Es werden doch eher die wirtschaftlichen Folgen thematisiert, als die psychologischen und deshalb sollten wir auch offen mit dem Thema Depressionen umgehen und darüber sprechen. Auch ich habe mich das ein oder andere Mal in so einem Gefühlszustand gefunden und konnte es aber sehr gut kompensieren, indem ich einfach so viele Überstunden als möglich abgearbeitet habe. Denn keiner möchte zu Hause sitzen und ständig an diesen ganzen Scheiß erinnert werden, was wir denn nicht alles verloren haben und stattdessen aushalten müssen. Wir möchten zumindest wieder ein Stückchen Normalität fühlen, um uns aus diesem Gefühl der Machtlosigkeit zu befreien. Ich wohne in der Nähe vom Yppenplatz und ich habe gerade die warmen Frühlingstage bewusst genutzt, um mich unter Leute zu setzen. Allein die Anwesenheit unter anderen Menschen, hat mir ein extrem positives Gefühl gebracht, mit dem ich meine Akkus wieder aufladen konnte und an diesem Punkt kommt wieder die rosa Bubble ins Spiel, die ich anfangs bereits erwähnt habe. Ich bin so hungrig nach Musik, nach sozialen Kontakten, nach ein bisschen Nähe, nach Musik, nach Open Air, das ich dabei sogar schon vergessen hatte, was ich selbst von solchen Events halte. Aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn sich ein Mindset von einer Ablehnung zum Positiven wendet, also bitte seid nicht so streng mit mir, wenn ich nun einfach dazu stehe, dass es einfach gepasst hat für mich dort zu sein und dass es mir auch in der Seele sehr gutgetan hat. Im Gegenzug ist es aber umso wichtiger, mit aller Kraft darauf hinzuweisen, das nicht alle so privilegiert sind das sie in den Genuss so einer Veranstaltung kommen können und damit meine ich im speziellen die geschlossenen Clubs und Bars. Man verliert gerade diesen Umstand gerne aus den Augen, aber mit Sicherheit hat es auch damit zu tun, dass wir gerne unangenehme Dinge ausblenden, um uns selbst vor dem Schmerz rund um unseren Verlust zu schützen…
Abschließend sei noch gesagt, dass ich mich von jeder Veranstaltung, Künstler, Kollektiv, Location etc. distanziere, die eine fuck Corona Attitude an den Tag legt. Weiters sollte auch von Veranstaltungen, die Sicherheitsmaßnahmen ernst nehmen, zu erwarten sein, das nötige Schritte gesetzt werden, um eine Eskalation zu vermeiden und wenn dies einen Abbruch bedeutet. Hier geht es neben der Verantwortung auch um eine Vorbildfunktion gegenüber der kompletten Branche, dass eine Demo sehr wohl funktionieren kann, ohne dass man damit jemanden schadet. Wenn der Schaden aber angerichtet ist und auch die Presse dementsprechend berichtet, bringt das nachhaltige Konsequenzen für uns alle mit sich und dessen sollte man sich auch bewusst sein! Ich war bis 19:30 Uhr auf der besagten Demo, bis dahin hat es super gepasst und dazu stehe ich auch, auch wenn wir alle auf der Wiese im Sitzen keine Maske getragen haben. Was danach passiert ist, möchte ich weder gutheißen, geschweige denn unterstützen. Dennoch sollten wir uns auf das eigentliche Problem fokussieren, das Virus! …und uns nicht immer gegenseitig an den Pranger stellen, oder?…
Mai 2021 | #derGrandits
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